Putin über die Ukraine und den Westen im "Corriere della Sera"
HAUPTTHESEN
(übersetzt von mir)
rusdialog.ru, 06. Juni 2015 - 09:09 Uhr.- Wir veröffentlichen die wichtigsten Punkte aus dem Interview des russischen Präsidenten Wladimir Putin für die italienische Zeitung "Corriere della Sera".
Ihm zufolge ist Russland nicht für die Verschlechterung der Beziehungen mit dem Westen verantwortlich, sondern realisierte nur begrenzte Reaktionen auf die ihm gestellten Herausforderungen. Noch viel weniger wird Russland die NATO angreifen. Vor Russland erschrecken nur jene Länder, für welche dies vorteilhaft ist.
Das Interview gewährte Putin italienischen Journalisten am Vorabend seines Besuchs in Italien. Der russische Präsident flog am 10. Juni nach Mailand, wo er am Russland-Tag die "Expo 2015" mit dem russischen Pavillon aus Glas und Holz besichtigt. Die Weltausstellung 2015 findet in Mailand unter dem Motto "Leistung für den Planeten, Energie für das Leben" statt.
Auch sind Kontakte mit der russischen Führungspersönlichkeit von der italienischen Seite vorgesehen. Italien gehört zu den EU-Ländern, die sich für eine Normalisierung der Beziehungen zu Moskau einsetzen, welche durch die Verhängung von Sanktionen während der ukrainischen Krise verkompliziert worden sind.
Die Ukraine - die Probleme
"Die ukrainische Krise war das Ergebnis unprofessioneller Aktionen des Westens, in denen die Situation außer Kontrolle geraten ist, während Russland nur gezwungenermaßen reagierte", sagte Putin.
Im Februar 2014 unterzeichnete der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch ein Dokument mit den Oppositionsführern über die Beilegung der politischen Krise, die auch die Außenminister von Frankreich, Deutschland und Polen unterschrieben. Aber am nächsten Tag wurden unter der Kontrolle der Opposition in der Werchowna Rada Umgehungs-Anordnungen zur Änderung der Verfassung verabschiedet, Janukowitsch wurde aus der Regierung gedrängt und Präsidentschaftswahlen anberaumt. Der Machtwechsel wurde in einigen östlichen Regionen nicht anerkannt, insbesondere der Krim, und in den Regionen Donezk und Lugansk fand ein Referendum über die Unabhängigkeit statt. Die Krim wurde Teil Russlands. Und die ukrainische Führung begann im Donezbecken im April 2014 ein militärisches Vorgehen, welches bereits mehr als 6400 Menschenleben kostete.
"Ich glaube, dass der Grund für diese Krise völlig konstruiert und das Ergebnis unprofessioneller Aktionen seitens unserer Partner ist. Und die Unterstützung dieses Prozesses ist absolut inakzeptabel. Ich möchte noch einmal betonen, dass dies absolut nicht unsere Option ist. Wir haben dies nicht angestrebt und sind gezwungen, einfach auf das zu reagieren, was geschieht", sagte Putin.
Der russische Präsident fügte hinzu, dass er nicht versteht, warum dies gemacht wurde. Ihm zufolge sagen einige seiner Kollegen, darunter europäische und amerikanische, dass die Situation außer Kontrolle geraten ist.
"Es war notwendig, diese Vereinbarung (zwischen Präsident Janukowitsch und der Opposition) durchzusetzen, um so mehr, dass im Rahmen der Vereinbarung als Garanten der Einhaltung drei Außenminister europäischer Länder unterschrieben. Wobei unsere Kollegen als Statisten eingesetzt wurden, denn faktisch betrieben nicht sie die Überwachung der Situation, sondern wie sie sagen, gestaltet vor Ort der US-Botschafter oder ein zur CIA gehörender Bürger der USA die Lage, so dass sie ihm nur noch zu sagen hatten: 'Sie wissen, dass wir nicht mit dem Staatsstreich einverstanden waren und Sie nicht unterstützen werden, gehen Sie Richtung Wahlen'", fuhr Putin fort.
"Lassen Sie uns sagen, dass bei ihnen (den Amerikanern) die Situation außer Kontrolle geraten ist. Wenn jedoch die Amerikaner und die Europäer den Verantwortlichen für solche verfassungswidrigen Handlungen gesagt hätten 'Wir werden Sie unter keinen Umständen unterstützen. Wenn Sie an die Macht kommen wollen, dann gehen Sie an die Urnen und gewinnen Sie - und Sie haben eine 100% Chance zu gewinnen, was jeder von Ihnen weiss', dann wäre die Situation ganz anders und sehr unterschiedlich in ihrer Entwicklung gewesen"- sagte der russische Präsident.
Die Ukraine - die Lösungen - "Minsk-2"
Als einzigen Weg einer Lösung für die Krise im Donbass nannte Putin die Vereinbarung von Minsk, erarbeitet von den Regierungschefs Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs im Februar 2015 auf der Grundlage der früheren Vereinbarung vom September.
"Das ist das Recht und vielleicht heute die einzige überprüfte Möglichkeit, dieses Problem zu lösen ... Russland ist an der vollen und bedingungslosen Durchführung der Minsk-Abkommen interessiert. Meiner Meinung nach gibt es heute keine anderen Möglichkeiten für eine Beilegung zu suchen", sagte der russische Präsident.
Er sagte, dass Moskau alles in seiner Macht Stehende weiterhin tun wird, um die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk dahingehend zu beeinflussen. Jedoch haben es die Vereinigten Staaten und Europa in der Hand, die Führung in Kiew zu beeinflussen, um die Vereinbarungen von Minsk umzusetzen. "Wir tragen sicherlich unseren Teil dazu bei und werden auch weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, um Ergebnisse bei den Führungen der nicht anerkannten, selbsternannten Republiken zu erreichen, den Republiken Donezk und Lugansk. Aber nicht alles hängt von uns ab. Unsere Partner in Europa und in den Vereinigten. Staaten sollten heute einen entsprechenden Einfluss auf die Regierung in Kiew ausüben", sagte Putin.
"Das Problem ist, dass heute die Führungsleute in Kiew nicht mal eine einzige Verhandlung wollen, wo man mit ihnen am Verhandlungstisch sitzt. Und das haben wir nicht beeinflussen können. Darauf können nur unsere europäischen und amerikanischen Partnern Einfluss ausüben ... Wir haben keinen solchen Einfluss auf sie. Den haben sie in den USA und in Europa, damit die Führung in Kiew alles erfüllt, was in Minsk vereinbart wurde", fügte der russische Präsident hinzu.
Die Ukraine. Die Lösungen - Status des Donbass
Der russische Regierungschef erinnerte daran, dass die Führer der abtrünnigen Republiken öffentlich ihre Bereitschaft erklärten, sich als Teil des ukrainischen Staates zu betrachten, sofern die Bestimmungen der Vereinbarungen von Minsk eingehalten werden. "Wissen Sie, das ist eine grundsätzliche Sache. Ich denke, das die Position sehr ernst genommen werden sollte, und zwar als eine gute Voraussetzung für die Aufnahme von ernsthaften Verhandlungen", sagte der russische Präsident.
Bei der Frage, ob er im Osten der Ukraine das Krim-Szenario wiederholt, erinnerte Putin daran, dass die Entscheidung über die Wiedervereinigung der Krim mit Russland gemäß der Willensbekundung der Einwohner getroffen wurde. (97% in der Krim und 96% in Sewastopol stimmten für den Beitritt zu Russlands.) Und in Donezk und Lugansk stimmte das Volk für die Unabhängigkeit. (In den dortigen Referenden wurde nur die Frage der staatlichen Unabhängigkeit der selbsternannten Republiken gestellt).
"Wissen Sie, das Krim-Szenario ist nicht mit der Position Russlands verbunden, sondern mit der Lage der Menschen, die auf der Krim leben ... In Donezk, Lugansk hat das Volk für die Unabhängigkeit gestimmt, und die Situation ist anders. Aber das Wichtigste ist, dass wir alle lernen müssen. Sie brauchen eine Stimmungsrichtung und müssen immer die Entscheidung des Volkes respektieren", sagte Putin.
"Und wenn jemand diese Gebiete als verbleibenden Teil der Ukraine haben will, muss diesen Menschen dort bewiesen werden, dass sie im gleichen Staat besser, angenehmer, vertrauensvoller werden leben können, um in diesem Staat ihr Leben und die Zukunft ihrer Kinder zu gewährleisten", fuhr der Präsident fort und fügte hinzu, dass nicht sein darf, diese Menschen durch Waffengewalt davon zu überzeugen.
Putin sagte auch, dass die Ukraine eine Verfassungsreform durchführt, die autonome Rechtshoheitsgebiete für die nicht anerkannten Republiken anbietet, ein Gesetz zur Abhaltung von Kommunalwahlen dort und ein Amnestiegesetz beinhaltet, um den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau dieser Gebiete zu beginnen. Die entsprechende Verbindlichkeit wird in "Minsk-2" festgeschrieben.
"Ihre heutigen zentralen Regierungsstellen in Kiew haben sich einfach vom Hauptstaatsgebiet gelöst. Sie haben dort alle Sozialleistungen eingestellt: die Renten, die Sozialhilfe. Sie haben das Bankensystem abgeschaltet. Faktisch machten sie jede normale Stromversorgung unmöglich, was, wie man weiss, eine humanitäre Katastrophe ergibt", sagte Putin.
(Fortsetzung folgt)