Die GAUKLERIN

  • Seht ihr. Und damit habe ich meine Probleme. Wie hätte das Ganze konkret aussehen sollen?


    Ich denke, niemand hat bei den Demonstrationen so weitgehende Pläne gehabt. Das war der Vorteil der Stunde von Kohl: Er hatte einen "Plan", die Wiedervereinigung. Innerhalb von 10 Jahren sollten gleiche Lebensbedingungen herrschen. Nur war dieser Plan auch nicht so konkret und viel zu optimistisch. In Wirklichkeit ist vieles bis heute nicht oder nicht so eingetreten, wie man es sich damals vorstellte. Das ganze war eine riesige Umgestaltung. Ich wage zu behaupten, dass so etwas gar nicht plan- und kalkulierbar ist. Letztlich konnte die vielen Investoren (oder soll ich sie lieber "steuerliche Sonderabschreiber" nennen) froh sein, wenn sie aufgrund der günstigen steuerlichen Regelungen ihr Kapital wieder heraus bekommen haben. Letztlich wurden diese Fehlinvestitionen also durch riesige Neuverschuldungen finanziert, die irgendwann einmal fürchterliche Konsequenzen für alle haben werden:
    http://staatsverschuldung.de/


    Zitat

    Mir fällt es schlichtweg schwer zu glauben, daß die Bürger der DDR so patriotisch gewesen wären, die neue Reisefreiheit nicht dazu zu Nutzen gen Westen zu ziehen um sich dort auf dem Arbeitsmarkt umzusehen


    Es gab doch kein einheitliches Lohnniveau! Es fand eine riesige Abwanderung statt! Aber natürlich gibt es immer auch bodenständige verwurzelte Menschen, die nicht gehen. Glücklicherweise, muss man sagen.


    Gruß
    Siggi

  • Wie das ausgesehen hätte, darüber lässt sich nur spekulieren...aber ein Indiz dafür, dass es so ist, sind eben die weitaus größere Menge an "Ostlern" welche direkt nach der Wende eben nicht rüber sind, um dort zu bleiben. Die Möglichkeit wäre ja dagewesen...alle hätten "abhauen" können. Jedoch überweog der O-Ton, nein, wir bleiben hier, wir wollen rüber und gucken, kehren dann aber nach Hause zurück.


    Man darf sich auch nicht der gemeinhin engebläuten Meinung hingeben, dass der Osten völlig runtergewirtschaftet war...sicher, die Produktivität war nicht so, wie im "Westen" und dementsprechend die Versorgung der Bevölkerung entsprechend nicht der, den wir alle heute kennen...aber frag Dich mal selbst, warum die Treuhand die Filetstücken verscherbelte...ich sage bewusst verscherbelte, denn das Thema Treuhand ist ein weiteres dunkles Kapitel rund um die Wendezeit. Auch darf man sich nicht dem Glauben hingeben, dass die DDR völlig pleite war, das widerlegte die Bundesbank 1990...man beachte: die Bundesbank.


    Wie sowas hätte aussehen können? Polen ist von Jensinski ein tolles Beispiel...Ende der 80er waren die schon relativ weit offen...Wenn man mal den Konsum betrachtet, sah ich dort bspw. Ende der 80er auch schon "Westwaren" in Form einer Schneider Kompaktanlage im Schaufenster. Mit enstprechenden Investitionen etc. wäre sicher auch die Wirtschaft relativ schnell in Gang gekommen, immerhin gab es ja relativ schnell Joint-Ventures, gennant sei hier VW. Und der Konsum hätte sein übriges getan...wäre sicher ne Win-Win-Situation geworden.


    Das politische Interesse im "Westen" sah solche Möglichkeiten aber nicht vor...ausser die von Oldtrotter genannten. Es ging ums politische Überleben vom "Einheitskanzler"...da kam der politische Zusammebruch der DDR gerade recht.


    Die Abschlüsse wurden im übrigen sehr oft nicht anerkannt...meine Mutter musst innerhalb eines Jahres ihren Beruf nochmals erlernen, obwohl sie jahrelang in ihrem gearbeitet hat. Der Unmut insgesamt war schon sehr groß. Ich erinnere an den O-Ton zum "Aufbau Ost": "Die schicken uns die, die im Westen nichts geworden sind und die erklären uns nun, dass wir alles nicht richtig gemacht haben."


    Unterschiede gibt es immerhin bis heute noch und das ist wirtschaftlich so gewollt. Es reicht das Du im "Osten" arbeitest, um bis zu 20 % weniger Lohn zu bekommen. So erging es mir auch, meine Lehre machte ich ab 1995. Ich sage immer nach "Weststandards". Nur weil ich diese im Land Brandenburg gemacht habe, verdiente ich 20 % weniger, als der selbe Azubi in "Westberlin". Wie bspw. mag man mir das begründen? Bin ich Mensch 2. Klasse?

  • Ja, Abwanderung wäre unvermeidbar gewesen. Sie wäre vielleicht etwas höher gewesen als eh geschehen. Mit dem Beispiel Polen meinte ich ja vor allem: Abwanderung -> im Ausland arbeiten (und lernen!) -> Geld nach Hause schicken -> investieren -> Neues aufbauen. Von des Staates Seite her eine Öffnung für die freie Marktwirtschaft. O.E.F.-Mod, meinst Du nicht, dass viele westdeutsche Firmen dann den billigen Arbeitsmarkt gleich nebenan genutzt, dort investiert und produziert hätten? So wie in den anderen Ostblockstaaten? Klar, das haben sie jetzt auch, auf andere Weise eben. Auf eine Weise, die sehr viel Unmut und Verdruss in der Bevölkerung hervorrief. Auf beiden Seiten. Der Aufbau Ost erfolgte nicht in Augenhöhe, noch heute fühlen sich viele Ostler im eigenen Land als Menschen 2. Klasse.


    Und es gab ja viele Produktionszweige im Osten, die mit entsprechender, machbarer Investition hätten erhalten werden können. Ich selbst habe z.B. die letzten Jahre als Betriebselektriker bei einer Firma gearbeitet, die das ganze Jahr diese füllbaren Papp-Ostereier herstellte. ;)


    Nach der Wende wurden die entsprechenden Werkzeuge, also das Kapital dieser Firma, in einer Nacht- und Nebelaktion an eine tschechische Firma verkauft. 300 Menschen, vorwiegend Frauen, waren mit einem Schlag arbeitslos. Dabei waren die Hauptabnehmer Kunden aus Skandinavien und den USA, die standen auf diese Dinger. Nach entsprechender Modernisierung hätten bestimmt gut 100 Menschen Arbeit gehabt. Das wäre immer noch besser gewesen, als alles zu schließen, oder?


    Soviel für heute. Herzlichen Dank für diese wirklich spannende Sonntags-Diskussion! :thumbup:


    LG,
    Jens

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    Am Anfang von dem Video sind Aufnahmen aus der Strafkolonie zu sehen, welche sich mit den Aussagen aus dem Buch decken...sogar die Palme, die da ab und zu mal auftaucht, ist erwähnt und die Kirche...


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