Der nördliche Schwarzmeerraum bietet ein bislang wenig bekanntes
Kulturspektrum zwischen Asien und Europa. Eine Schau im Rheinischen
Landesmuseum in Bonn zeigt archäologische Schätze der Krim aus 1000
Jahren.
Bonn.
Was die Avantgarde-Kunstgemeinde beim Begriff „Krim“ unisono mit einer
schamanistischen Materialbasis assoziiert, wird durch eine Ausstellung
kulturhistorisch entmythologisiert: Die Bonner Schau „Die Krim –
Griechen, Skythen, Goten“ bedeutet Grundlagenforschung mit dem
Ausbreiten von Kulturzeugnissen aus 1000 Jahren. Handelt es sich beim
nördlichen Schwarzmeerraum um eine bisher wenig bekannte eurasische
Drehscheibe der Kulturen, von chinesischen Einflüssen via Seidenstraße
bis zu griechischen Besiedlungen ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. Davor gab
es das Nomadenvolk der Taurer, Stichwort Goethes „Iphigenie auf Tauris“.
Den Besuchern bietet sich ein Krim-Spektrum aus griechischer
Architektur, chinesischen Lackkästchen, sarmatischem Goldschmuck,
römischen Bronzen, prachtvollem Zierrat der Hunnen oder
Adlerknopfschnallen mit Halbedelsteinen, die bei gotischen Damen
ungemein beliebt waren. Aus der griechischen Vorliebe für Fabelwesen und
Held-enepen resultiert vermutlich ein weibliches Skulpturengemisch aus
Nixe und Fruchtbarkeitsgöttin, entstanden im 2. Jahrhundert. Die Figur
mit den zwei Schwänzen transportiert den inzwischen gewandelten
Blickwinkel: der wirtschaftliche Nutzen der Fruchtbarkeit der
Krim-Halbinsel als Kornkammer Athens. Die Schau beschreibt gerade das
Spannungsfeld zwischen den Griechen und reiternomadischen Steppenvölkern
aus dem Nordosten: Ein stetiger Wechsel aus kriegerischen Phasen und
ebenso regem kulturellen und wirtschaftlichen Austausch.
Zwei antike Orte auf der Krim fokussieren diesen Dualismus. Zum einen
das südlich gelegene antike Chersonesos, 600 Kilometer entfernt von
Athen, das im griechischen Sinne demokratisch strukturiert war,
ausgestattet mit einem „Scherbengericht“ und gerade erst ins
Weltkulturerbe der Unesco aufgenommen wurde. Im Westen lag Pantikapaion
(„Weg der Fische“), zum maritimen Namen verhalfen dem Ort riesige
Schwärme des Krimherings.
Gräberfunde liefern der Bonner Ausstellung die spektakulären
Schauobjekte, die zum Teil die heutige Ukraine noch nie verlassen haben.
So etwa das Prachtschwert mit goldener, reich ziselierter Scheide aus
Besitz eines sehr reichen Skythenkönigs.
Untersuchungen der ukrainischen Co-Kuratorin Valentina Mordvinceva, die
2008 im Rahmen eines Humboldt-Stipendiums am Bonner Universitätsinstitut
für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie forschte, signalisierten,
dass die Krim eine bislang weitgehend ignorierte Drehscheibe der
Kulturen zwischen Asien und dem Schwarzmeerraum war. Bislang sind
chinesische Lackkästchen nicht weiter westlich als in Afghanistan
gefunden worden.
Bericht: saarbruecker-zeitung: Die Krim, eine Drehscheibe der Kulturen