"Givi" gab Olga Schukowa ("Komsomolskaja Prawda Donbass") ein Interview, veröffentlicht am 6. Mai 2015 um 18:38 Uhr
DER LEGENDÄRE KOMMANDEUR AUS DER ARMEE DER VOLKSREPUBLIK DONEZK "GIVI":
"MIR WURDE BEIGEBRACHT, FÜR TSCHAPAJEW UND DIE UKRAINE ZU KÄMPFEN"
(übersetzt von mir)
Jener berühmte Offizier aus der Volksrepublik Donezk gab unserer Korrespondentin ein freimütiges Interview.
"Seit langem wollte ich ihn treffen und mich mit ihm unterhalten. Jener legendäre Donezker Milizangehörige "Givi", Kommandeur der legendär gewordenen Einheit "Somalia".
Aber irgendwie ging alles erst mal schief. Sie waren nicht in Donezk. Dann wieder führte er eine grosse Gruppe von Journalisten am Flughafen herum, während ich in Rostow am Don in Russland war.
Und eines Tages, als ich wie üblich zu spät zur Arbeit aufbrach, sah ich "Givi", der gerade eine Flasche Mineralwasser an einem Kiosk kaufte. Erst dachte ich, dass dies wohl ein Irrtum sein muss, oder so ähnlich. Ich spannte meine gesamten Wahrnehmungsorgane an und erkannte, dass er es zu sein schien. Mir fiel nichts klügeres ein, als an ihn heranzutreten und zu fragen:
Frage: Entschuldigung, sind Sie "Givi"?
"Givi" nickte und schaute mich prüfend mit seinen Augen an.
So wurden wir miteinander bekannt. Während wir sprachen, kamen Passanten vorbei, riefen ihm ein "Danke!" zu, schüttelten seine Hand, fragten wegen Erlaubnis zum Fotografieren.
ÜBER DIE MÄDCHEN UND "SOMALIA"
Frage: Frage Nummer 1, die mir praktisch all die vielen Leute vom Don angetragen haben. Haben Sie eine Freundin?
Givi: Nein. Auch wenn über mich geschrieben worden ist, dass ich Frau und Kinder hätte. Das ist nicht wahr.
Frage: Warum ist "Givi" Ihr Deckname?
Givi: Zu Ehren meiner Grosseltern. Mein Opa war ein grosser Militär, Kommandeur in einem der Gebiete des Kaukasuskriegs. Ich kenne ihn nur aus den Erzählungen meiner Oma.
DEN NAMEN DES BATAILLONS "SOMALIA" ERFAND "MOTOROLA"
Frage: Warum heisst Ihre Einheit "Somalia"?
Givi (lachend): Den Namen "Somalia" erhielten wir in Ilowajsk. Damals bestand die Abteilung aus 70 Leuten und einem Gewehr auf Rädern. Mir kam "Motorola" zu Hilfe (der andere legendäre Kommandeur der Miliz aus Donezk - Interviewerin). Wir gingen raus auf die einzige Strasse, die nicht unter ukrainischem Beschuss lag. Sie war schon ziemlich kaputt von all den Einschlägen. Und als "Motorola" ankam und sah, auf was für Strassen da gefahren wurde, wo die Geschossteile noch auf den Strassen herumlagen, sagte er nur: "Du hast ja das ganze Somalia abbekommen!"
Aber das war im August. Das Wetter war heiss. Die Leute waren dort in TShirts, Kampfwesten, Tarnkleidung, in Reiterhosen. "Motorola" sah sich um und liess wieder so einen historischen Spruch ab: "Mann, natürlich hast Du hier sich bewegende Piraten! Eben Somalia!"
Dann ging es los mit der Bildung eines selbstständigen Bataillons. Die Frage der Namensgebung stand an. Und binnen fünf Minuten auf unserer Zusammenkunft im Standort waren alle einverstanden mit "Somalia", den Piraten, da wir alle wie verzweifelte Menschen leben. Solche Leute habe ich nun mal, und sie leisten ihren Dienst. Und sie sind immer mal verzweifelt, was mich manches graue Haar kostet. Jeder durchgeführte Einsatz wie eine Säuberungsaktion, ein Sturmangriff, ein Panzergefecht, - das sind schon ganz grosse Erfahrungen.
Frage: Und in der Zeit des Friedens?
Givi: In den Zeiten des Friedens wird der Tag von Minute zu Minute gelebt. Es gibt unter uns Wissenschaftler mit einer militärischen Ausbildung. Es gibt das miitärische Handeln. Wir sind stets mit irgendwas beschäftigt.
Frage: Sie werden täglich populärer. Selbst auf Youtube gibt es schon Geschichten über sie. Und in mancher Schule in Donezk hängt im Lehrerzimmer Ihr Porträt. Wie fühlen Sie sich dabei?
Givi: Tja, nicht sonderlich. Jeder hat seine Favoriten, seine Ideale. Ich hänge im Standort Amateurfotos von meinen Jungs auf. Jeder hat seine eigenen Ideale.
EINE GUTE SCHULE
Frage: Wo haben Sie gelernt, militärisch zu kämpfen?
Givi: Ich war auf einer guten Schule. Sie werden es nicht glauben. Ich war bei den Streitkräften der Ukraine. Zwei Jahre Wehrdienst. Ich hatte viel Vergnügen dabei. Ich wollte mich 2000 weiter verpflichten, scheiterte aber wegen meines Sprachfehlers. Dann befasste ich mich mit den Verdiensten der grossen Kommandeure Suwurow, Kutusow, Napoleon, Tschapajew, und mit noch viel mehr über sie.
Frage: Sie wissen ja, wie das läuft: Schulabschluss, zur Arbeit kommen. Und im ersten Jahr hört man: 'Vergessen Sie alles, was Sie im Institut gelernt haben.'
Givi: Sie verstehen, dass es nicht möglich ist, nach Buchlektüre in den Krieg zu ziehen. Wir sind derzeit in der Realität auf einem realen Terrain in realen Kampfhandlungen.
Nehmen Sie beispielsweise mal Tschapajew. Einige sagen, dass er als militärischer Kommandeur nichts taugte. Andere sagen, dass er einer der erfolgreichsten Kommandeure war. Wäre er nicht verraten worden, wer weiss, was aus ihm geworden wäre. Nehmen sie Koltschak, der auch verraten wurde. Trotz der Abgeschirmtheit dieser Bücher aus unserer Gegend und unseren Zeiten, kann daraus viel gelernt werden, um es in der Praxis anzuwenden.
Aber Sie verstehen, dass ich mein Wissen, meine Kenntnisse habe. Wobei nichts ohne die Leute geht, die bei mir sind. Wäre ich ein schlechter Kommandeur, würden sie meine Befehle nicht befolgen. Aber solange sie klar die Befehle befolgen, wobei die Leute fragen und mich im Bataillon befragen, - gut, dann vertrauen sie mir.
Frage: Somit werden Ihre Befehle nicht diskutiert?
Givi: Nein. Sie werden nicht diskutiert. Bei Zweifeln gibt es den Rat. Ich bin ein lebender Mensch. Ich sehe nicht alles. Ich kann was übersehen. Das werde ich nicht verheimlichen. Aber ganz in meiner Nähe gibt es erfahrenere Genossen. Im Gespräch mit ihnen gibt es die Entscheidung. Es gibt die Leute, mit denen ich in Slawjansk den Kampf durchgefochten habe, als wir mal gerade in der Armee begonnen hatten. Das sind meine Freunde. Ich war Schütze BMD-2. An der "Nona" im Krieg ...
Frage: Erzählen Sie mir, gab es einen Tag, an welchem Sie besonders Angst hatten?
Givi: ... Angst? ... Ja, es gab ihn. Als ich noch ein einfacher Soldat war und in Jampol in eine Einkreisung geraten war. Als wir von 200 Mann angegriffen worden waren ... möglicherweise von einem ganzen Regiment. Wir hatten keine Ausrüstung. Und sie kamen mit schweren Waffen, mit den Panzern, mit den Schützenpanzerwagen. Tja! Eingekreist. Da blieb ein Weg übrig, durch den wir rauskamen.
Als sie dann weggingen, berührten mich jene Jungs tagelang nicht. Als sie wieder zurückkamen, beruhigten sie sich und sahen ein, dass wir unsere begonnene Tätigkeit fortsetzen müssen.
(Fortsetzung folgt)