Reisebericht: "Border-Run" Kiew-Rumänien [war: Tageswanderungen in den Karpaten]

  • Hallo zusammen,


    dem EM-Trubel in Kiew entfliehend wollen wir für ein paar Tage den Westen der Ukraine besuchen. Die geplante Route ist etwa folgende: Kiev, Kamianets-Podilskyi, Chernivtsi, Karpaten, Ivano-Frankovsk, [evtl. Rivne, falls das schneller ist als "über Land" zu fahren], Kiev. Zeit haben wir insgesamt neun Tage.


    Unter anderem wollen wir ein bisschen in den Karpaten wandern gehen. Leider finde ich in unseren Reiseführern und im Internet praktisch nur ausgedehnte Mehrtageswanderungen. Da wir mit dem Auto unterwegs sind, ist das recht unpraktisch. Hat jemand von euch Tipps, wo ein guter Ausgangspunkt für Tageswanderungen wäre? Gibt es überhaupt markierte/kartierte Wanderwege, die einen sicher durchs Gelände führen? Ein Tipp in den Reiseführern ist Yasinya von wo man z.B. auf die Hoverla steigen kann - bisher unser Favorit.


    Auch über weitere Tipps zur Route freue ich mich natürlich. Diesen informativen Thread habe ich gelesen, glaube aber, dass die dort genannten Orte in Anbetracht der wenigen Zeit die wir zur Verfügung haben schon zu weit westlich liegen.


    In jedem Fall werde ich von unseren Erlebnissen berichten !wsmile!.


    Grüße MAP

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  • Wie versprochen möchte ich hier ein paar Eindrücke von unserer Reise in die Westukraine schildern.


    Zunächst die Route - hier als Google-Map. Anlass war eine Ausreisefahrt für unser Auto mit deutschem Kennzeichen um der hiesigen KFZ-Anmeldepflicht zu entgehen. Von Kiew sollte es also auf jeden Fall bis nach Rumänien gehen. Unterwegs haben wir versucht so viel wie möglich anzuschauen.


    Erster Halt: Kamjanez-Podilskyj


    Route: Von Kiew auf der M6 nach Schytomyr (durchgängig perfekter Straßenzustand), dann weiter auf der H3 (einige Unebenheiten, die erlaubten 90 sind aber zu fahren). Wir haben einmal nicht aufgepasst und nur aufs Navi geachtet und sind so von der H3 auf die T2321 abgekommen - hier musste man dann schon sehr auf Schlaglöcher achten. Also: nie blind dem Navi vertrauen ;).
    Unterkunft: Übernachtet haben wir im 7dniv, in der Neustadt etwa 600m von der Altstadt entfernt. Das Hotel bietet für ca. 400 UAH fürs Doppelzimmer guten westeuropäischen Standard, ruhige Lage, ein gutes Frühstück und hat Englisch sprechendes Personal. Wir waren mit dem Preis/Leistungsverhältnis sehr zufrieden und würden das Hotel jederzeit weiterempfehlen.
    Stadt: Die Stadt hat uns sehr gut gefallen. Highlight ist natürlich die Festung mit allerlei (obligatorischen) Freizeitaktivitäten wie Bogenschießen, Münzprägung und Schaschlik-Essen, aber auch die Altstadt ist sehr sehenswert und hat viel historische Bausubstanz zu bieten. Vieles ist sehr hübsch restauriert und lohnt einen Besuch. Man sieht der Stadt die diversen Herrschaftswechsel an (beeindruckend z.B. eine Kirche mit Minarett neben dran). Es gibt sehr nette (und günstige) Restaurants und Cafés, die zum Verweilen einladen. Im Flusstal, das die Altstadt vollständig umgibt, kann man herrliche Spaziergänge unternehmen. Für uns eindeutig eines der Highlights der Reise!
    Bilder (anklicken für größere Versionen):


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    Zweiter Halt: Czernowitz


    Route: An der Festung Chotyn vorbei auf der H3 (einige Unebenheiten und ein paar Schlaglöcher, die erlaubten 90 sind aber zu fahren). Die Straßen in Czernowitz selber sind allerdings ka-tas-tro-phal.
    Unterkunft: Übernachtet haben wir im George Palace am Rande des Stadtzentrums. Für 330 UAH gibt es dort wirklich sehr hübsch eingerichtete Zimmer in ruhiger Lage. Frühstück (nicht getestet) kostet 50 UAH/Person. Das Personal spricht ein klein wenig Englisch. Die beste Unterkunft unserer Reise - große Empfehlung!
    Essen: Das Restaurant "Reflection" in der vul. Holovna 66 war so gut, dass ich es hier unbedingt erwähnen muss. Hauptgerichte sind mit 90 bis 170 UAH zwar vergleichsweise teuer, aber die Gerichte sind raffiniert zubereitet, ansprechend angerichtet und überaus schmackhaft. Ich kann mich nicht erinnern in der Ukraine zuvor mal so gut gegessen zu haben (allerdings meiden wir auch die Super-Luxus-Restaurants in Kiew ;)).
    Stadt: Auf dem Weg von Kamjanez-Podilskyj solle man auf jeden Fall die Festung Chotyn besuchen (s. Bild unten). Sie liegt wunderschön am Dnister und ist von einer Wallanlage umgeben, auf der man ausgiebig klettern kann. Ambitioniertere Fotographen als ich kommen da sicherlich voll auf ihre Kosten. Ansonsten gibt es natürlich auch dort alle gängigen "Burgenaktivitäten". Czernowitz selber hat uns außergewöhnlich gut gefallen. Auch hier massenweise historische Bausubstanz, vieles davon ansprechend restauriert, eine westeuropäisch anmutende, wunderschöne Fußgängerzone, einige architektonisch herrausragende Gebäude und sehr sehenswerte Kirchen. Außerhalb der Stadt liegt ein sehenswerter jüdischer Friedhof mit Synagoge. Diese ist eine Ruine und sorgt für eine ganz spezielle Atmosphäre. Die Gräber werden im Moment wieder freigelegt. Es sind auch viele deutsche Inschriften zu entdecken. Zudem hat man von hier aus einen guten Blick auf die Stadt. Die Stadt muss sich zumindest unserer Meinung nach keineswegs hinter Lemberg verstecken. Für uns das lohnendste Ziel der Reise.
    Bilder (anklicken für größere Versionen):


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    Dritter Halt: Suceava


    Route: Auf der M19 zur rumänischen Grenze (guter Zustand), in Rumänien dann eine "Moldauklöster-Runde" (Fernstraßen in sehr gutem Zustand, alle anderen Straßen aber auch problemlos befahrbar).
    Grenze: Wartezeiten jeweils um ca. 16 Uhr bei der Ausreise aus UA etwa 40 Minuten, bei der Einreise nach UA etwa eine Stunde, freundliche Grenzer, sehr oberflächliche Zollkontrolle.
    Unterkunft: Die Übernachtung erfolgte im Continantal Suceava . Das Zimmer für 40€ war ok (allerdings ohne Klimaanlage). Sehr zentral gelegen, einfaches Frühstücksbuffet (früh kommen, es wird nicht nachgelegt!). Das Preis/Leistungsverhältnis fand ich hier eher mäßig.
    Unterwegs: Suceava hat neben einem Kloster nur wenig zu bieten. Ich fand die Stadt sogar außergewöhnlich hässlich. Umso lohnender ist aber die Fahrt zu den verschiedenen bemalten Moldauklöstern in der Umgebung, von denen einige zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. In jedem Fall lohnt es sich einen Tag in Rumänien zu verbringen und nicht am gleichen Tag in die Ukraine zurück zu fahren.
    Bilder (anklicken für größere Versionen):


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  • So, hier der zweite Teil.


    Vierter Halt: Iwano-Frankiwsk


    Route: Von Rumänien aus ging es zurück nach Czernowitz und von dort auf der H10 bis nach Dubivtsi (einige Unebenheiten, ein paar Schlaglöcher aber mit 90 gut befahrbar). Dort haben wir die Hauptstraße verlassen und sind der T2601 nach Kuty und Kosiv gefolgt. Landschaftlich ist die Strecke zwar schön und der Zustand erfordert Aufmerksamkeit beim Fahren, ist aber nicht völlig desolat - trotzdem lohnt der Umweg unserer Ansicht nach nicht. Weder Kuty noch Kosiv bieten Attraktionen, für die ein Abweichen von der geplanten Strecke sinnvoll wäre - kurz die Beine vertreten kann man sich aber durchaus, wenn die Dörfer auf der Strecke liegen (z.B. auf dem Weg in die Karpaten). Weiter über die P24 nach Kolomyja (mäßiger Straßenzustand), wo es ein sehenswertes Museum über die Huzulen und das berühmte Ostereiermuseum zu besichtigen gibt und außerdem eine nette Innenstadt vorhanden ist. Dort ging es weiter auf der H10 bis nach Iwano-Frankiwsk.
    Unterkunft: Tatsächlich war diese Strecke nicht an einem Tag zu bewältigen und wir wollten in dem uns schon bekannten Hotel in Czernowitz nächtigen. Dieses war leider ausgebucht und so sind wir in einem Motel auf dem Weg untergekommen. 150 UAH fürs Doppelzimmer sind zwar günstig, aber die Leistung die wir dafür erhalten haben war auch entsprechend - ich würde daher eher empfehlen im Voraus zu schauen wo man unterkommen möchte und nicht einfach auf gut Glück zu starten - die Qualitätsunterschiede sind durchaus erheblich und man hat ja schließlich Urlaub ;). In Iwano-Frankiwsk haben wir dann im Hotel Nadia übernachtet. Eine zentrale Lage und guter westlicher Standard wurde für ca. 520 UAH geboten. Dazu gab es ein wirklich hervorragendes Frückstücksbuffet auf einer sehr netten Außenterasse. Trotzdem halte ich das Hotel für ein wenig überteuert.
    Stadt: Iwano-Frankiwsk ist ein hübsches Städtchen mit schönem Ortskern. Es lohnt ein Spaziergang und eine Besichtigung der verschiedenen Kirchen und Plätze. Auch das gastronomische Angebot war sehr nett. Insgesamt kann die Stadt in meinen Augen aber in keiner Weise z.B. mit Czernowitz mithalten. Das hat mich ein bisschen überrascht, denn hier im Forum liest man häufig sehr viel positives über den Ort. Vielleicht kannte ich ja nur nicht die richtigen Stellen !wsmile!.


    Fünfter Halt: Dubno


    Route: Von Iwano-Frankiwsk ging es der H9 folgend nach Halych, einem netten kleinen Städtchen mit schönem Marktplatz und sehenswerter Umgebung. Man kann einen Hügel besteigen auf dem eine Schlossruine zu sehen ist. Von dort hat man einen guten Blick über die Stadt. Schön für eine kleine Pause - aber bei wenig Zeit kann man den Ort auch durchaus auslassen. Weiter ging es stets nach Norden bis nach Busk. Die Landschaft auf der Strecke ist wunderschön (Felder und kleine Dörfer im Wechsel in hügeliger Landschaft), die Straßen (T1417 und T1806) sind aber mit Vorsicht zu genießen. Die Schlaglöcher sind hier so tief, dass man sicher nicht weiter fahren kann, wenn man eines übersieht und in einigen Dörfern kann man von "Straßen" überhaupt nicht mehr sprechen. Wenn man es nicht eilig hat lohnt die Strecke aber meiner Meinung nach durchaus. Nun folgten wir der M6 über Olesko (nettes Schloss und beeindruckendes Denkmal) und Brody (Städtchen mit jüdischer Vergangenheit und ein klein wenig historischer Bebauung) nach Dubno.
    Unterkunft: Wir übernachteten im Hotel Dubno, dem einzigen Hotel, das wir im Ort finden konnten. Hier scheinen in der Regel Hochzeitsgesellschaften unterzukommen. Angeschlossen ist ein Restaurant, in dem sehr schmackhaftes Essen serviert wird. Die Zimmer sind mit ca. 220 UAH günstig, sauber und sehr geräumig.
    Stadt: Genau wie Olesko und Brody gibt es eigentlich nicht viel zu sehen. Die Stadt ist (wie so oft) teilweise ganz nett anzusehen, hat einen hübschen Park und lohnt einen kleinen Spaziergang. Außerdem gibt es ein Schloss zu besichtigen, welches aber eher unspektakulär ist. Ich denke man muss keinen dieser Orte wirklich gesehen haben - aber um die Fahrt zu unterbrechen und sich ein bisschen die Beine zu vertreten oder eine günstige Übernachtungsmöglichkeit wahrzunehmen, kann man hier durchaus anhalten.
    Bilder von der Strecke (anklicken für größere Versionen):


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    Von Dubno zurück nach Kiew sind wir dann über die M6 durchgefahren. Ab Rivne ist diese in Top-Zustand und durchgängig vierspurig. Bis dahin ist der Zustand ebenfalls sehr gut, allerdings überwiegen zweispurige Streckenabschnitte.


    Als Fazit würde ich festhalten, dass die Westukraine ein sehr lohnendes Reiseziel ist. Man sollte sich von diversen Horrorberichten über Straßenzustände oder böse Polizisten (wir wurden übrigens überhaupt nicht angehalten) nicht verrückt machen lassen. Auch mit einem Kleinwagen lässt sich das Land gut bereisen !wsmile!.



    Ich hoffe es waren ein paar hilfreiche Tipps und Anregungen für eine Fahrt in die Westukraine dabei. In die Karpaten (das ursprüngliche Thema des Threads) haben wir es aus Zeitmangel leider nicht mehr geschafft. Ich habe darum den Titel abgeändert. Ich würde mich freuen, wenn hier noch weitere Erfahrungen und Tipps über die Region weitergegeben würden, denn die nächste Ausreisefahrt kommt bestimmt ;).


    Grüße MAP

    Einmal editiert, zuletzt von MAP ()

  • Vielen Dank für diesen Bericht und die darin enthaltenen Reisetipps. Bei der Lektüre kam mir eine Frage wieder in den Sinn, die ich mir öfters schon gestellt habe: Was bedeuten die Buchstaben in den Bezeichnungen der verschiedenen Straßenkategorien in UA?


    Viele Grüße
    Reinhard

  • Vielen Dank für diesen Bericht und die darin enthaltenen Reisetipps. Bei der Lektüre kam mir eine Frage wieder in den Sinn, die ich mir öfters schon gestellt habe: Was bedeuten die Buchstaben in den Bezeichnungen der verschiedenen Straßenkategorien in UA?

    Wir tun immer so als ob es Folgendes bedeutet:


    M = "Magistrale"
    H (also "N") = "National"
    P (also "R") = "Regional"


    was "T" bedeuten könnte wissen wir auch nicht.

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