Winterliche Entdeckungen in Transkarpatien / Sakarpatska

  • Teil 1:


    Ende Dezember hatte ich Gelegenheit ein paar Fotos in der
    Karpatenukraine zu machen.


    Interessant sind alte Dörfer wo früher und vereinzelt noch heute
    Deutsche bzw. Österreicher lebten und leben, wie in Deutsch Mokra,
    Mislivka und Königsfeld in Transkarpatien (Sakarpatska ). Diese
    Menschen sprechen einen alten Dialekt wie vor 150 Jahren.


    Sie wohnen in Holzhäuser mit Balken oder einer
    Holzschindelverkleidung.


    Ein alter Friedhof in Mislifka zeugt von der Geschichte , von
    Ukrainern, Ungarn , Österreichern, Polen, Russen, Tschechen und
    Slowaken.


    Viele Menschen sind zumindest teilweise Selbstversorger. Man
    sieht die Heuhaufen für die Versorgung der Kühe im Winter.


    Diese Heu muss dann im Winter mit Schlitten von den Almen auf
    die Höfe in die Dörfer gezogen werden.


    Manche Kuhstelle sind nur 10 m² groß. Dort leben die zwei Kühe
    zusammen mit den Hühnern.


    Obwohl draußen minus 2 Grad herrschen, sind im Stall durch die
    Eigenwärme mindestens 15 Grad.


    Es gibt selbst gemachte Wurst (Domaschnaja Kolbasa)......und
    domaschnaja Schnaps.


    Die kulturelle Vielfalt und die Traditionen werden gerade auch
    zum Neujahrsfest gelebt. Schülergruppen in traditioneller
    Kleidung der Karpaten ziehen mit dem Weihnachtsmann und dem
    Schneemädchen / Schneeflöckchen (Snegurotschka) am Vorabend des
    Neujahrsfestes durch den Ort und besuchen öffentliche
    Einrichtungen um zu singen und Gedichte vorzutragen.

  • Teil 2:


    Die Karpaten sind das aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht
    das Armenhaus der Ukraine. Es gibt keine Arbeit für die
    Heranwachsenden und Familienväter. Sie arbeiten in Tschechien,
    der Slowakei, Ungarn und Polen. Viele Menschen verlassen sich
    nicht auf Kiev. Die Auswirkungen des Bürgerkrieges sind auch
    hier zu spüren.


    Die Infrastruktur beschränkt sich auf die Versorgung der
    Einheimischen. Es gibt Tourismus in minimalistischer Struktur.
    Zum Beispiel Kutschfahrten durch die Wälder oder die
    Möglichkeiten von Skisport. Dort befinden sich die Souvenirläden
    und Restaurants.


    In Jaremtsche gibt es einen großen Basar nur mit einheimischen
    Produkten wie Produkte aus Schafswolle, Teppiche und Läufer,
    Socken, Schals, Tischdecken aus Leinen, Pilzen, Kräutertee , getrocknete
    Heidelbeeren, Himbeeren- und Brombeeren sowie Produkte aus Holz.


    1 PS ohne Kat-1-1 (1).jpg


    3-Sinevirska Poljana, Umladung Heu mit Picknick-3.jpg


    7-Sinevirska Poljana Karpaten 16_9-1.jpg


    6-Karpatenrally.JPG


    9-Basar in Mishirija, Transkapartien-1-1.jpg

  • Teil 3:


    Zu erwähnen ist die Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen.
    Man kommt ins Gespräch.


    In Deutsch Mokra, umgeben von Wäldern und tiefster Einsamkeit,
    kann man sich im Einkaufsladen an einen Tisch setzten, um Tee
    und Bier zu trinken.


    Hereinkommende Einheimische begrüßen mich mit Handschlag, wie
    jeden anderen Gast im Laden. Jeder Laden hat mindestens zwei
    Tische, mehrere Stühle oder ein Sofa. Der Besitzer heizt den
    Ofen ein. Die Verkäuferin spricht auf einmal deutsch und erklärt
    wem das alles gehört.


    Der Besitzer lud mich ein kostenlos in seinem Ferienhaus zu
    übernachten, es wird ja schon dunkel. Ich sagte, dass ich heute
    noch zurück über den Berg in das andere Tal muss, wo mein Auto
    steht. 10 Km durch den Winterwald auf einer verschneiten
    Bergstraße. Zu Fuß möglich nicht jedoch mit dem Auto. Natürlich
    gab es diverse Warnungen vor dem Wolf in der dunklen Nacht.


    Im Wald selber war es sehr still. Der Schnee dämpft alle
    Geräusche. Kein Wolfsgeheul . Spuren im Schnee nur von Hasen.



    Begonnen hatten diese Erlebnisse am 24. Dezember an der
    slowakisch- ukrainischen Grenze mit der Wartezeit von 9,5
    Stunden.


    Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.



    Viele Grüße
    der Sachse


    Post in Mislivka.JPG


    Dienstraum Post in Mislivka.jpg


    Gepflegter Ortsteil in Mislivka (1).JPG


    Kirche in Kolotschava.JPG


    k-Kate in Kolotschava-1.jpg


    k-Souvenirstand in Pilipets.JPG

  • Ja, wirklich sehr schoene Eindruecke.


    Ich habe nur einen Einspruch... die Karpaten sind kein Armenhaus und Tourismus hat alles andere als minimalistische Struktur. Speziell Jaremtscha/ Bukovel sind Gegenden in die das Karpatenvor-(oder nach-)land zum Geldverdienen faehrt.

  • 10 Km durch den Winterwald auf einer verschneiten
    Bergstraße. Zu Fuß möglich nicht jedoch mit dem Auto.


    Dich hamse wohl mit dem Klammerbeutel gepudert... 8o
    Ich will morgen ein paar Windbruchfotos von unserem ehemaligen Wald machen und dafür muss ich 600m zu Fuß in den Wald rein. Ok, ich trage dabei meine Feuerwehrstiefel. Nur die könnten meine Füße bei dem Schnee einigermaßen trocken halten. Aber zum wandern sind die Dinger nicht gerade geeignet.

  • die Karpaten sind kein Armenhaus


    Kommt auf die Gegend an. Wo der Tourismus nicht angekommen ist und man von dem leben muss, was der Boden abwirft, ist in den Bergen der Lebensstandard deutlich geringer. Bergbauern hatten es immer schon schwerer, das ist kein Geheimnis. Das Flachland ist landschaftlich nicht so reizvoll aber für die Landwirtschaft viel besser geeignet.


    Das ist sogar in den Bergregionen von AT oder CH nicht anders. Kann mich noch an den fassungslosen Gesichtsausdruck meiner Frau erinnern, als ich ihr abgelegene Bergdörfer in CH zeigte (sie war damals gerade ein paar Wochen das erste Mal in DE). Sie wollte gar nicht glauben, dass dort in einem der reichsten Länder Europas noch Menschen leben und dies kein Museum war. Es sah dort schon sehr viel ärmlicher aus, als in unserem bescheidenen Dorf im bayerischen Wald und noch mal viele Kategorien schlechter als in Interlaken. Übertrag mal so etwas auf UA, wo es fast kein soziales Netz und keine Förderung für strukturschwache Gebiete gibt, was noch einiges abfedert.
    Schweizer Bergdorf: 25.000 Franken für jeden, der sich hier neu ansiedelt


    Gruß
    Siggi

  • .....die Bezeichnung Armenhaus bezieht sich auf die wirtschaftliche und soziale Situation in diesem Gebiet. Die Möglichkeiten einer positiven Entwicklung
    könnte es geben: Ausgebilderter Nachwuchs, nähe zur EU, landschaftlich reizvoll, Tourismus, wertvolle einheimische Produkte aus Land- und Forstwirtschaft und Energie- und Wassergewinnung
    um nur einige Beispiele zu nennen.
    Viele Menschen verlassen jedoch ihre Heimat für immer oder sie Leben vom Sammeln und Verkauf von Kräutern, Beeren, Pilzen und selbstgemachten Produkten.
    Dieses Verkaufen bedeutet stundenlanges Stehen auch in der Kälte und das Warten auf Besucher.


    Wie profitabel ist ein Ferienhaus, und davon gibt es auch wunderschöne, wo die Straßen ringsherum kaputt sind.
    Die Angestellte im Restaurant der von mir besuchten Pension arbeitet 12 - 14 Stunden am Tag.
    Es gibt einfach keine ausreichende finanziellen Mittel um die Infrastruktur zu verbessern.


    Bukovel ist ein touristischer Leuchtturm. Alles neu gebaut, selbst der See. Menschen leben dort nicht dauerhaft. Nur Angestellte.
    Nichts ist dort in Jahrzehnten gewachsen. Den (gutbetagten) Ukrainern gefällt es. Ein Ausländer entdeckt dort nicht die Karpaten.


    11-Einheimische Produkte am Waldsee Sinevir.JPG

  • So schlimm war es dort nicht, siehe Foto.


    Da sieht es bei uns ganz anders aus. Ich war heute im Wald und musste mich durch kniehohen Schnee kämpfen...


    Unser Forstbezirk in Sachsen warnt davor die Wälder auch jetzt noch zu betreten.


    Bei uns wird nicht gewarnt. Bei uns wird gleich dicht gemacht. Aber wenn man Windbruch fotografieren will, sind diese Wege zielführend... :popcorn:

  • In Bukovel war ich im Fruehjahr 2007 das erste mal. Und da gab es bereits den See und ca. 7 Lifte. Ist seitdem mindestens (noch) ein Jahrzehnt gewachsen ;) Das Radisson kenne ich noch als Baugrube.


    In bleibender Erinnerung sind mir die Kolonnen Luxus SUV die am 30./31.12. da reinrollen, da treffen sich Geldadel und Prominenz aus UA, BY, MD und seinerzeit auch ein guter Teil aus RU.


    Diejenigen die in der Forst arbeiten fahren uebrigens gar nicht so schlecht, oft bekommen sie quasi Deputat- Holz und das klebt preislich am USD. Es gibt Gegenden in denen jeder zweite Hof grosse Stapel hinterm Haus hat und auch gut verkauft. Heisst also dass das was sie im Sommer verdienen zum Leben reicht und fuer die grossen Spruenge werden mal ein paar Kub. verkauft. Dass sie nebenbei in einer sehr lebenswerten Landschaft sitzen und mit ein bisschen Glueck auch per (Fern-) WLAN Internet haben, macht das Leben da auch fuer junge Familien wieder interessant. Klar, wenn man mit dem Auto da hin will, sollte man entweder Material fahren das was vertraegt oder um das es nicht schade ist. Die Einheimischen nutzen Pferd, Motorrad, UAZ...


    Der Frankivsker Oblast, der einen Teil der Karpaten beinhaltet, haengt am unteren Ende der Einkommensskala. Daher kann man den Begriff Armenhaus vielleicht benutzen. Es gibt kaum Industrie mit relativ hohen Loehnen die statistisch erfasst werden. Dagegen stehen jede Menge nicht erfasste (durchaus gute) Einkommen aus Land, Forst, Tourismus usw. Und natuerlich fahren jede Menge Leute nach PL, RU, CZ zum arbeiten, das wird auch nirgens erfasst.


    Wenn man die deutschen Medien manchmal so liest, die machen aus einem Begriff wie Armenhaus hungernde Kinder an jeder Ecke in UA. Die habe ich noch nicht gesehen.

  • Armut beginnt schon bevor Kinder hungern. Arm ist man, wenn man weniger als der Durchschnitt hat. Das kann auf sozialem, kulturellen, wirtschaftlichen Gebiet aber auch bei den Changen sein.
    Wenn man in der Ukraine nicht reich ist, was ist man dann ?
    In der Ukraine erlebe ich, dass die Eltern und Großeltern ihren Kindern und Enkelkindern möglichst viel ermöglichen und selber Verzicht üben.
    Wegen der betroffenen Armut im Vergleich mit Bessergestellten.


    In Bukovel gibt es im Sommer Artek für Kinder und Jugendliche in Anlehnung des Pionierlagers auf der Krim.
    Um dort seine Kinder unterzubringen muss man richtig viel Geld zahlen.

  • Wenn die Dörfer auf den Fotos von Der Sachse nicht desolat und ärmlich aussehen, was ist dann Armut?


    Ich würde da nicht leben wollen, bekäme Depressionen. Dabei ist anzumerken, dass ich als UA Resident schon einiges gewöhnt bin, aber das war selbst für UA unterdurchschnittlich.


    Gruß
    Siggi

  • Morgen.
    Für 2 Wochen Urlaub ganz schön aber danach bräuchte ich auch irgendeine Beschäftigung.
    Armut kann man unterschiedlich deffinieren.
    Aber ich hab da andere Kriterien von Armut.
    Für mich können Leute mit Eigentum nicht Arm sein. In keinem Land der Welt.

  • Ich finde die Bilder ganz normal, bis auf das eine winzige Huettchen vielleicht, aber sagt auch keiner dass da noch jemand wohnt. Desolat ist der alte Friedhof, ja, wird halt nicht alle 20 Jahre "wiederbelegt" sondern wildert ein wenn keine Verwandschaft mehr pflegt.


    Man koennte ja jetzt, wie vor 15 Jahren in PL ganz viel billige Kredite unter die Leute pumpen, dann waeren 2 von 3 Haeusern in Kuerze sehr schick. Aber dann gehoerts der Bank, wie in PL. Und die Strassen waeren auch top, mit EU Foerdermitteln hingezaubert. Das was die Geberlaender dafuer in die EU eingezahlt hat ist ein netter Teil von deren Staatsschulden, gehoert also indirekt auch einer Bank. Das Kreditkarussel, erst mal in Gang gekommen, ist kaum zu stoppen. Dass es das in der Form und Dimension in UA gar nicht gibt, wird sich absehbar als Plus erweisen, erkauft u.a. mit Fassaden die 30 Jahre lang nicht schick gemacht wurden.

  • Das ist auch eine Mentalitätsfrage.
    Selbst wenn man diese Nobelsiedlungen ansieht, sind die Strassen kaputt und die Gebäude bestehen aus qualitativ minderwertigem Kitsch, mit Türmen und Erkern, wenn man genauer hinsieht.
    Aber natürlich Teuer...:))))

  • Das ist ja keine ästhetische Frage.
    Aber ein Mensch mit eigenem Dach über dem Kopf, warmer Wohnung, ausreichendem Essen, Bildung und medizinischer Versorgung ist nach meinem Verständnis nicht arm.
    Auch wenn das an BRD-Durchschnittsstandarts nicht ranreicht.
    Im grössten Teil der Welt sieht es schlimmer aus und die BRD ist hier kein Massstab, denn das ist immerhin die 4-grösste Volkswirtschaft der Erde.
    Die Ukraine hat nur ein offizielles BSP wie Berlin.

  • "Ärmlich" oder nicht, das hängt ganz vom Lebensstil (oder Standpunkt) des Betrachters ab.
    Die "Wohnung" eines guten Kumpels in SPb, obwohl in 1b-Lage, in 2. Reihe an der Neva, fast direkt gegenüber der Hermitage, sieht von innen noch viel ärmlicher aus. Wobei mit "Wohnung" nicht nur seine eigenen 2 Zimmer in einer Kommunalka gemeint sind, sondern auch die Gemeinschafts-Küche, -Bad und -Toilette. Und Flur, natürlich.


  • Wie würdest Du denn so eine Wohnung bezeichnen? Nicht als ärmlich? Würdest Du dort wohnen wollen (auch nur für 2 Wochen Urlaub)?


    Gruß
    Siggi


    P.S: Kenne noch schlimmere Zustände, habe nur gerade keine anderen Fotos zur Hand.


    Oh Siggi,ich sehe schon wieder Arbeit auf mich zukommen ;) Habe die letzten Wochen fünf Bäder gefliest.Heute war der letzte Tag ;) Bereit für neue Schandtaten ;)

    Das Leben als Rentner ist nicht das Schlechteste :D
    Na ja , eins stört schon , als Rentner bekommt man keinen Urlaub mehr
    :hmm:

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