Es besteht kein Anspruch auf Einbürgerung, wenn die bisherige
Staatsangehörigkeit nicht erlischt oder nicht aufgegeben wird. Eine
unverhältnismäßige Belastung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StAG
wonach von dem Erfordernis der Aufgabe der bisherigen
Staatsangehörigkeit abgesehen werden kann, ist nicht aus dem in Art. 6 GG verbürgten Schutz von Ehe und Familie abzuleiten,
wenn die für die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit erforderliche Regelung der
Rechtsverhältnisse im bisherigen Heimatstaat eine auf wenige Wochen
angelegte Trennung von der Familie erfordert.
Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Freiburg in dem hier
vorliegenden Fall einen Anspruch auf Einbürgerung trotz
Mehrstaatlichkeit verneint. Die 1968 in Vinnira in der Ukraine
geborene Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige. Sie reiste am 5.
April 2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 15. Juni
2001 mit dem deutschen Staatsangehörigen J. P. die Ehe schloss. In der
Folgezeit war sie im Besitz
einer Aufenthaltserlaubnis, die ihr seit dem 1.1.2005 in der Form einer
Niederlassungserlaubnis erteilt ist. Am 19.12.2005 wurde der gemeinsame
Sohn F. geboren. Die Änderung des Familiennamens der Klägerin wurde vom
Generalkonsulat der Ukraine in dem ukrainischen Reisepass
vermerkt. Am 29.11.2009 stellte die Klägerin beim Landratsamt
Ortenaukreis einen Einbürgerungsantrag. Dabei verweigerte sie die
Erklärung zu ihrer Bereitschaft, nach schriftlicher Zusicherung der
Einbürgerung die erforderlichen Schritte zur Aufgabe ihrer bisherigen
ukrainischen Staatsangehörigkeit zu unternehmen. Eine solche Entlassung
erfordere einen mindestens einjährigen Aufenthalt in der Ukraine, den sie auch wegen ihres Kindes für unzumutbar erachte.
Nachdem die Klägerin im April 2010 die Bescheinigung über den – zunächst
ebenfalls verweigerten – Deutschtest für Zuwanderer vorgelegt hatte,
wiederholte sie unter dem 3.5.2010 ausdrücklich ihren Antrag auf eine
vorbehaltlose Einbürgerung unter Hinnahme ihrer ukrainischen
Staatsangehörigkeit. Am 14.07.2010 hat die Klägerin beim
Verwaltungsgericht Klage erhoben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Freiburg hat die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf eine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Dem Anspruch der Klägerin auf Einbürgerung steht entgegen, dass sie ihre
bisherige ukrainische Staatsangehörigkeit, die nach ukrainischem
Staatsangehörigkeitsrecht nicht kraft Gesetzes im Zeitpunkt ihrer
Einbürgerung in den deutschen Staatsverband erlischt2,
entgegen der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG sowie des § 9 Abs. 1
i.V.m. § 8 StAG nicht aufgegeben hat und auch keine Ausnahme von diesem
Erfordernis nach § 12 StAG gegeben ist.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StAG kann von dem Erfordernis der
Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit unter anderem abgesehen
werden, wenn der Ausländer
seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders
schwierigen Bedingungen aufgeben kann, weil der ausländische Staat die
Entlassung aus der Staatsangehörigkeit von unzumutbaren Bedingungen
abhängig macht. Dies ist dann der Fall, wenn die Sachentscheidung oder
das Verfahren zur Entlassung aus der Staatsangehörigkeit von Bedingungen
abhängig gemacht werden, die bei einer normativ geleiteten Betrachtung
nicht mehr als sachgerecht anzuerkennen sind. Entscheidend ist, ob nach
Maßgabe eines objektivierenden, an völker- und verfassungsrechtlichen
Vorgaben orientierten Maßstabes aus nationaler Sicht dem
Einbürgerungsbewerber nach seinen konkreten Verhältnissen die Erfüllung der Entlassungsbedingungen zuzumuten ist;
die bloß subjektiv definierte Unzumutbarkeit reicht hingegen nicht aus. Sofern die Stellung eines
erfolgversprechenden Entlassungsantrags von der Ordnung etwa der
rechtlichen Angelegenheiten im Heimatstaat abhängig gemacht wird, kann
dies auch bei abstrakt gegebener Sachgerechtigkeit eine unzumutbare
Entlassungsbedingung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 StAG
darstellen, wenn im konkreten Fall keine realistische Chance besteht,
diese Ordnung unter ihrerseits zumutbaren Bedingungen erfüllen zu können.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe, die der vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegen,
liegen im Fall der Klägerin unzumutbare Entlassbedingungen aus der ukrainischen Staatsangehörigkeit nicht vor:
Sofern für die Entlassung aus der ukrainischen Staatsangehörigkeit
erforderlich ist, den entsprechenden Antrag über das Generalkonsulat der
Ukraine in München zu stellen, ergibt sich die Unzumutbarkeit eines solchen Vorgehens
weder aus der Notwendigkeit der Antragstellung als solcher noch aus der
Dauer oder der Ungewissheit des Erfolgs eines solchen Verfahrens. Denn
der Beklagte hat unter Berufung auf konkrete Beispiele aus seiner Einbürgerungspraxis dargelegt, dass
bei ordnungsgemäßer Antragstellung Entlassverfahren erfolgreich
innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von wenigen Monaten
durchgeführt worden sind. Dabei hat der Vertreter des Beklagten in der
mündlichen Verhandlung zu den Schwierigkeiten ukrainischer
Einbürgerungsbewerber im Entlassverfahren vor dem ukrainischen
Generalkonsulat in München in der Vergangenheit nachvollziehbar
dargelegt, dass das für die Vorbereitung der Entlassung in der Ukraine
zuständige Gremium in der Vergangenheit zeitweise keine Entscheidungen
mehr getroffen hatte, dass dieser Zustand aber seit einiger Zeit beendet
sei und das Entlassverfahren in der Ukraine nach seiner – auch vom
Innenministerium Baden-Württemberg bestätigten – Erfahrung nunmehr
reibungslos durchgeführt werde.
Der Antrag auf Entlassung aus der ukrainischen Staatsangehörigkeit
stellt sich auch nicht deshalb als unzumutbar dar, weil sich die
Klägerin als im Ausland lebende Ukrainerin vor einer solchen Antragstellung – wie vom Beklagten
zugestanden wird – zunächst beim Generalkonsulat registrieren und
hierfür zuvor sowohl ihren abgelaufenen ukrainischen Reisepass
verlängern lassen als auch in diesen eine „Genehmigung zum ständigen
Aufenthalt außerhalb der Ukraine“ eintragen lassen muss. Denn die
Anforderung an einen im Ausland lebenden Staatsangehörigen, dass er
seine Registrierung bei den für das Land seines Aufenthalts zuständigen
Konsulaten vornimmt, dient der eindeutigen Bestimmung der Zuständigkeit
dieser Behörde für Verwaltungsangelegenheiten des Betroffenen und
entspricht – ebenso wie die Anforderung, im Ausland die Gültigkeit des
eigenen Reisepasses sicherzustellen – ohne weiteres anerkannten
rechtlichen Gepflogenheiten. Die für die Registrierung beim
Auslandskonsulat erforderliche „Genehmigung des ständigen Wohnsitzes im
Ausland“ ist ebenfalls sachlich hinreichend gerechtfertigt. Denn diese
Erlaubniserteilung ist nach der Darlegung der Klägerin davon abhängig,
dass der ehemalige Arbeitgeber das Nichtbestehen von Ansprüchen Dritter
bestätigt und die Eltern des Betroffenen der dauerhaften Ausreise im Hinblick auf bestehende
Unterhaltsansprüche zustimmen. Damit dient die Erlaubnis letztlich der
Sicherung zivil- und unterhaltsrechtlicher Ansprüche gegenüber dem
Ausreisewilligen. Soweit die Registrierung des Betroffenen auf dem
Konsulat nach der Auskunft des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 29.09.2010 zusätzlich zum
Nachweis der Schuldenlosigkeit auch davon abhängig ist, dass gegen den
Betroffenen in der Ukraine kein Strafverfahren offen ist, dient die
„Erlaubnis zum ständigen Wohnsitz im Ausland“ der Sicherstellung einer geordneten Strafrechtspflege. Auch
dies stellt keine Anforderung dar, die nicht mehr als sachgerechte
Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses eines Bürgers zu seinem Staat
anerkannt werden könnte.
Eine andere Beurteilung der Zumutbarkeit der Bemühungen um die Entlassung aus der ukrainischen
Staatsangehörigkeit ergibt sich auch nicht aus den tatsächlichen
Belastungen der Klägerin, die insbesondere im Zusammenhang mit dem
Verfahren zur Registrierung beim ukrainischen Konsulat und den hierfür
notwendigen Vorstufen der Passverlängerung und der Einholung der
„Genehmigung zum ständigen Wohnsitz im Ausland“ anfallen ..........
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